© Bilder und Text Wolfgang Groth, Dr. Jasminca Behrmann-Godel
Frau Dr. Jasminca Behrmann-Godel, Sie sind mit Ihren 25 Publikationen eine sehr erfolgreiche Wissenschaftlerin und wurden bereits mit Preisen für Ihre Arbeiten ausgezeichnet. Ihre Forschungen in den Bereichen Genetik und Evolution stoßen international auf großes Ansehen – allen voran mit der 2015 erfolgten Entdeckung des ersten Höhlenfisches Europas, einer Schmerle der Gattung Barbatula, die in den unterirdischen Karstsystemen der Donau-Aach-Region in Süddeutschland vorkommt.
Nach nun 23 Jahren erfolgreicher Tätigkeit mit Studium und Diplomarbeit bis hin zum Assistenz Professor und Gruppenleiter für Evolutionäre Fischökologie bei der Universität Konstanz übernehmen Sie die Stelle des Fischereireferenten im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg.
Frage: Was hat Sie gereizt diese sicherlich anspruchsvolle Tätigkeit zu übernehmen?
Als Wissenschaftlerin war es mir immer ein Anliegen, den praktischen Bezug nicht zu verlieren und von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen habe ich in allen meinen wissenschaftlichen Arbeiten mit regionalen Fischen, meistens aus dem Bodensee, gearbeitet. Es hat mich interessiert, wie Fische mit und in ihrer Umwelt zurechtkommen, vor allem wenn sich die Umwelt ändert, entweder durch anthropogene Einflüsse oder auch durch klimatische Veränderungen. Das erleben wir ja gerade in extremer Ausprägung in unseren heimischen Gewässern. Fische haben mit erhöhten Wassertemperaturen und verringerten Wassermengen während der immer heißeren Sommermonate zu kämpfen oder werden Opfer von Fischsterben, die nicht selten durch eingeleitete oder eingeschwemmte Schadstoffe ausgelöst werden. In meiner neuen Tätigkeit als Fischereireferentin am Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg möchte ich mich gemeinsam mit den Fischereibehörden, der Fischereiforschungsstelle, den Fischern und Anglern und allen Bürgern, die sich für Fische und Naturschutz interessieren für unsere heimischen Fische, Krebse und Muscheln einsetzen. Außerdem ist es mir ein besonderes Anliegen, heimischen Fisch als hochwertiges Lebensmittel mit einem niedrigen ökologischen Fußabdruck vermehrt zu würdigen und die Wertschätzung für unsere heimischen Berufsfischer und Fischerzeuger zu fördern.
Einige der Hauptthemen des MLR sind der Fischartenschutz, der Schutz von Lebensräumen im Gewässer und die Fischgesundheit.
Frage: Was kann das Ministerium für den Schutz und die Erhaltung der Gesundheit für Tiere im aquatischen Lebensraum tun?
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg ist die oberste Fischereibehörde des Landes. Als solche ist es unsere Aufgabe, auf eine fachlich fundierte Umsetzung der rechtlichen Vorgaben im Fischereibereich zu achten und bei deren Weiterentwicklung mitzuwirken. Damit helfen wir, Fische, Krebse und Muscheln und ihren aquatischen Lebensraum zu schützen und zu fördern und eine nachhaltige Bewirtschaftung unserer Gewässer zu gewährleisten. Außerdem fördern wir, zusammen mit den Fischereibehörden bei den Regierungspräsidien und der Fischereiforschungsstelle das Wissen und das Verständnis für die Tiere im aquatischen Lebensraum und versuchen, dieses vermehrt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.
Frage: Welchen Aufgaben möchten und können Sie sich als Fischereireferentin des MLR zeitnah und längerfristig widmen?
Themenfelder in der Fischerei sind mannigfaltig und oft von verschiedenen, manchmal auch sehr unterschiedlichen Interessen geprägt. Gemeinsam mit Kollegen aus dem Umweltministerium beschäftigen wir uns momentan mit dem Thema Kormoran. Kormorane breiten sich in Baden-Württemberg immer mehr aus und wirken sich an vielen Gewässern negativ auf gefährdete Fischarten und den Jungfischbestand vieler Fische aus. Außerdem kommt es an bewirtschafteten Gewässern zu fischereilichen Verlusten durch Kormoranfraß. Hier gilt es gemeinsam mit dem Natur- und Vogelschutz Konzepte zur Kormoranvergrämung zu erarbeiten, die es auch erlauben in Schutzgebieten tätig zu werden, in denen die Vergrämung nur unter Ausnahmegenehmigung erlaubt ist.
Ein weiteres Thema ist die Wasserkraftnutzung und wandernde Fischarten. Hier müssen weitere Konzepte für eine fischfreundlichere Wasserkraftnutzung erarbeitet werden auch in Hinsicht auf die im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union geforderten Maßnahmen, die Gewässer in Deutschland wieder in einen guten ökologischen Zustand zu bringen und für wandernde Fische passierbar zu machen.
Auch der Rückgang vieler Fischbestände in unseren Gewässern durch die Reoligotrophierung, die ja sehr begrüßenswert ist, und den Klimawandel wird für die regionale Fischerei zunehmend zum existenzbedrohenden Problem. Vor allem die Berufsfischerei am Bodensee leidet zunehmend unter den seit Jahren immer niedrigeren Fischerträgen. Auch hier versuchen wir Lösungen zu erarbeiten und gemeinsam mit der Internationalen Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF), der Fischereiforschungsstelle und den Fischern Konzepte zu erarbeiten, damit die kulturell wichtige und traditionsreiche Berufsfischerei erhalten werden kann.
Sie sehen also, die Themen gehen nicht aus und es ist zeitnah und längerfristig viel zu tun. Doch ich bin hochmotiviert, auch konfliktbelastete Themen konstruktiv anzugehen und gemeinsam mit allen, die sich für Fische interessieren und sich für sie einsetzten wollen daran zu arbeiten, Verbesserungen zu erlangen um Fische nachhaltig zu schützen, die heimische Fischerei zu ermöglichen und die Fischerzeugung im Land zu steigern.
Frage: Was können die einzelnen Angelfischereivereine und auch wir als Landesfischereiverband BW tun um sich klimatisch bedingten Veränderungen am Gewässer und seinen Auswirkungen anzupassen?
Auf Angelfischereivereine und Verbände könnten in Zukunft durch die klimatischen Veränderungen vermehrt schwierige Situationen wie Fischsterben und Rückgänge einzelner Fischarten, Ausbreitung von gebietsfremden Arten oder Fischkrankheiten zukommen. Hier ist es wichtig, gemeinsam mit Gemeinden und Behörden Lösungen zu finden und zum Beispiel neue Hegemaßnahmen zu erarbeiten um die Gewässer resilienter zu machen, um schnell und auch längerfristig reagieren zu können. Oft können bereits kleine Maßnahmen helfen, akute Krisensituationen zu verbessern.
Aufklärung und Schulung von Mitgliedern sind wichtige Aufgaben der Vereine und Verbände um Bürger für Gewässerhege allgemein und auftretende Problemsituationen zu sensibilisieren und Verständnis zu schaffen. Vereine und Verbände sind wichtige Anlaufstationen um freiwillige Helfer und Maßnahmen zu koordinieren und vor allem, um auftretende Veränderungen von Gewässern und deren Auswirkungen an die Gemeinden und Fischereibehörden weiterzutragen und auf Probleme und Missstände hinzuweisen.
Frage: Wie bewerten Sie die Maßnahmen unserer Angelfischereivereine hinsichtlich der Hege und Pflege sowie der visuellen und chemischen Kontrolle der Gewässer mitsamt Uferrandstreifen einschließlich weitergehender Maßnahmen, Renaturierungen etc. die zum Erhalt und zur Verbesserung des aquatischen Lebensraums führen?
Rund die Hälfte aller Anglerinnen und Angler in Baden-Württemberg sind in Vereinen organisiert. Die Vereine und auch der Landesfischereiverband Baden-Württemberg leisten vor allem auch mit ihrer engagierten Kinder- und Jugendarbeit einen wichtigen Beitrag um Interesse und Verständnis für aquatische Organismen und die Natur allgemein zu wecken und zu vertiefen. Die hegerischen Maßnahmen am Gewässer, die vermehrt von Vereinen geplant und von ihren Mitgliedern durchgeführt werden, sind sehr wichtige Bestandteile für den Natur- und Artenschutz und ich freue mich darauf, auch in Zukunft zusammen mit Fischereivereinen und dem Landesfischerei Verband weitere Initiativen zur Erhaltung und Förderung unsere heimischen aquatischen Tiere und Pflanzen zu initiieren und zu unterstützen.
Ich danke herzlichst für die Beantwortung dieser teilweise sehr umfangreichen Fragen und wünsche Ihnen für die Zukunft weiterhin viel Erfolg.
Frau PD Dr. Behrmann-Godel referierte beim Fischereiforum in Friedrichshafen 2019